Vom Kaiserreich in die Weimarer Republik 1871-1933

Mit der Proklamation Wilhelm I. , König von Preußen zum Deutschen Kaiser 1871 in Versailles wurde Deutschland zu einem deutschen Nationalstaat mit einer bundesstaatlich organisierten konstitutionellen Monarchie. Das Staatsoberhaupt war der Deutsche Kaiser, die Reichsregierung führte der Reichskanzler, das Parlament bildete der Deutsche Reichstag mit seinen Abgeordneten.

Erinnerungsanhänger an das Kaisermanöver 1899 gefunden in Lösnich (Foto Jürgen Schmid)
Johann Braun (1868-1938) aus Lösnich als Soldat im Preußischen Husarenregiment (Foto C. Dommermuth)

Das preußische Wahlrecht sah bis 1918 das Dreiklassenwahlrecht vor für die Wahl der Wahlmänner (abhängig von der Steuerleistung des Wählers), die ihrerseits die Abgeordneten ihres Wahlbezirks für das preußische Abgeordnetenhaus wählten. Wahlberechtigt war jeder männliche Preuße ab 24, der mindestens seit 6 Monaten in einer preußischen Gemeinde wohnte. Seit 1874 waren Militärangehörige nicht mehr wahlberechtigt. Das passive Wahlrecht lag bei 30 Jahren. Die Wahlperiode betrug seit 1888 fünf Jahre (Quelle Wikipedia Preußisches Abgeordnetenhaus).

Nach verlorenem ersten Weltkrieg 1918 wurde die konstitutionelle Monarchie des Kaiserreiches durch die Weimarer Republik abgelöst, der ersten parlamentarischen Demokratie Deutschlands. Aber die harten Bedingungen des Versailler Vertrages, den Deutschen aufgezwungen durch die Siegermächte, die Besetzung des Ruhrgebietes 1923 durch die Franzosen und die Weltwirtschaftskrise von 1929 führten zu einer immer schlechter werdenden wirtschaftlichen Lage Deutschlands und Armut und Arbeitslosigkeit machten sich breit.

Zwanzig Reichsmark von 1929 und zwei Rentenmark von 1937. Die Rentenmark wurde 1924 eingeführt als Maßnahme zur Bekämpfung der seit 1913 andauernden Inflation. Eine Rentenmark hatte den Wert von 1 Billion Reichsmark. Reichs- und Rentenmark existierten parallel. (Foto Jürgen Schmid)
Reichsmarkmünze von 1936 (Foto Jürgen Schmid)

Dies bereitete wiederum den Nährboden für aufkommende radikale Gruppen und Parteien. Als 1933 die Nationalsozialisten als Sieger aus der Reichstagswahl hervorgingen, war das Schicksal Deutschlands besiegelt. Der sich ausbreitende Antisemitismus in der Zeit der folgenden NS-Diktatur mündete schließlich in den Holocaust und in den 2. Weltkrieg von 1939-1945, und in der Folge zur Teilung Deutschlands verbunden mit dem Bau der Mauer. Es folgte die Zeit des „Kalten Krieges „ zwischen dem Ostblock und den Westmächten, aber auch die Gründung der Bundesrepublik Deutschland als freiheitlicher demokratischer und sozialer Rechtsstaat.

Wahlkampfveranstaltungen in Lösnich ab 1908

Doch wie begann das zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor Ort in Lösnich ? Politische Aktivitäten zeigten sich vermehrt in den Jahren 1910, 1911, 1931 und 1932 durch Veranstaltungen in den beiden Lösnicher Gasthäusern Mechtel und Hauprich. Sie wurden jeweils angemeldet und durchgeführt vom Katholischen Zentrum, der DNVP und der NSDAP.

Quellen: LHA Koblenz

  • Allgemein (Best. 655,123 Nr. 107)
  • Plakate DNVP 3, (Best. 712, Nr. 2427-2429)
  • NSDAP 13 (Best. 712, Nr. 2431-2443)

Versammlungen:

  • 30.05.1908 Anmeldung einer Versammlung durch Stephan Ehlen für den 31.05.1908 im Gasthaus Hauprich in Lösnich ½ 1.
    Beratung: Aufstellung der Wahlmänner für die Abgeordnetenwahl.
    Ehlen selbst wird 1909 Bürgermeister von Lösnich und bleibt es ununterbrochen bis 1939. In seine Amtszeit fällt 1914 die Elektrifizierung Lösnichs, der Bau der Wasserleitung 1927 und 1933 die Erweiterung der Lösnicher Schule mit dem Anbau von 2 Klassenräumen und einem kleinen Bürgersaal im Dachgeschoss.
  • 6. Januar 1910 Pfarrer Simon bittet um Genehmigung einer Versammlung des Volksvereins Katholisches Deutschland am 8.01.1910 im Gasthaus Hauprich.
  • 17. März 1911 Termin für Versammlung des Kath. Deutschlands am 18. März um 8 Uhr im Saale des Gasthauses Mechtel. Bürgermeister von Zeltingen16.11 1911 Veranstaltung im Gasthof Z. Mechtel
  • 1.12.1911 J. Astor, Vorsitzender der Zentrumspartei des Volks WILL-BKS: Versammlung des Zentrumspartei: Montag, 4. 12. Abends 6 Uhr im Hauprichen Saale zu Lösnich.
  • 30.07.1930 Verein Deutschnationale Volkspartei
    (DNVP 1918-33, antisemitisch, schloss sich nach Auflösung der NSDAP an)
    Leiter: P. Simon in Lösnich
    Redner: Dr. Koch aus Trier
    Diskussionsredner: J. Müller aus Lösnich
    Thema: Warum Volksentscheid
    Zahl: 80-85 Personen
    Verlauf: ruhig
    Vermerke: keine
  • 4. Oktober 1931 Stahlhelm BDF
    Aufzug unter freiem Himmel, von Bernkastel nach Traben-Trarbach,
    u.a. auch Ortsgruppe Lösnich
    (paramilitärischer Bund der Frontsoldaten 1918-1933)
  • 5. Januar 1932
    Redner: Karl Carius, Koblenz, NSDAP*
    Enthält Aufdruck: Juden ist der Zutritt untersagt.
    Quelle: LHAK, Bestand 712, Plakate
    *) Karl Carius war von März bis November 1933 Reichstagsmitglied (NSDAP), von 1933-1945 Funktionär der Deutschen Arbeiterfront (DAF).
  • 8. Januar 1932
    Pfr. Kerscht meldet eine Versammlung des Zentrums im Gasthaus Mechtel in Lösnich an.
    Redner: Reichstagsabgeordneter, Weingutsbesitzer Diehl.
    Termin: 13. Januar, 8 Uhr abends
  • 8. Juni 1932
    Versammlungsanmeldung des Ortsgruppenführers J. C. für Freitag, den 10. Juni im Saale Stefan Mechtel (nationalsozialistische Versammlung).
    Redner: Landtagsabgeordneter Pies Langenloshein
    Genehmigung erteilt am 8.06.1932), J. S. Conen
    Quelle LHA Koblenz,Signatur: 655,123/1248

Anfang der 1930er Jahre nahmen die Aktivitäten nationalsozialistischer Anhänger auch in Lösnich deutlich zu. So existierte in Lösnich auch die Gruppierung „Der Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten“. Wie bereits erwähnt nahm die Ortsgruppe Lösnich am 4. Oktober 1931 an einem Umzug unter freiem Himmel von Bernkastel nach Traben-Trarbach teil (Quelle LHA Koblenz, Best. 655, 123 Nr. 107).

Hinweise zur Vereinigung des Stahlhelms

Quelle https://histoproblog.org/2012/11/5kampftruppen-in der-zeit -der-weimarer-republik/

  • kurz nach Kriegsende im Dezember 1918 von dem Reserveoffizier Franz Seldte gegründet verbunden mit dem Bemühen um Anerkennung für die Kriegsteilnehmer. Sie vertraten auch vehement die Dolchstoßlegende – ab 1928 galt die Wehrsportpflicht – alle Mitglieder wurden so für einen Krieg ausgebildet
  • 1930 hatten sie bereits 500.000 Mitglieder -> stärkster Wehrverband Deutschlands
  • Gemeinsam mit der DNVP, der NSDAP und dem Alldeutschen Verband organisierten sie 1929 den Volksentscheid gegen den Young-Plan
  • Im Oktober 1931 schloss sich der Stahlhelm mit der NSDAP und der DNVP zur „Harzburger Front“ zusammen um den Kampf gegen die verhasste Republik aufzunehmen
  • Am 30. Januar 1933 wurde Seldte von Hitler zum Arbeitsminister ernannt, um ihn für seine Mitarbeit an der nationalsozialistischen Machtübernahme zu belohnen

Vereine in Lösnich um 1909/10

Im Adressbuch des Kreises Bernkastel Ausgabe 1909/10 sind unter der Gemeinde Lösnich (604 Einwohner) folgende Vereine aufgelistet:

  • Kriegerverein, Vorsitzender Stephan Ehlen, 58 Mitglieder
  • Gesangverein, Vorsitzender Johann Justen II, 33 Mitglieder
  • Spar- und Darlehnskassenverein, Vorsitzender Stefan Ehlen, 81 Mitglieder (Hinweis: gegründet 1896 von 15 Gründungsmitgliedern)

Auch für die Nachbargemeinden Zeltingen, Rachtig, Erden und Wolf sind Kriegervereine verzeichnet. Der Dachverband der Landes Kriegervereine war seit seiner Gründung um 1900 der Kyffhäuserbund, der sich bis zum Beginn des 1. Weltkrieges neben der Pflege der Kameradschaft und der Bewahrung alter Traditionen auch der Auseinandersetzung mit der erstarkenden Sozialdemokratie widmete getreu dem Motto „Für Gott, König und Vaterland – Gegen die Sozialisten“. Der Sozialismus wurde als innerer nationaler Feind angesehen (Quelle Wikipedia, Kyffhäuserbund).

Vereine in Lösnich um 1920

Für die Jahre 1918/1920 erfolgt eine Meldung von 5 Lösnicher Vereinen an den Verwaltungsoffizier in Bernkastel (Quelle: LHA Koblenz, Best. 655, 123 Nr. 107)

  • Bauernverein, Vorsitzender J. Ehlen, 65 Mitglieder
  • Spar- und Darlehnskassenverein, S. Ehlen, 73 Mitglieder
  • Club Gemütlichkeit, Vorsitzender P. Kaufmann, 40 Mitglieder
  • Gesangverein, Vorsitzender M. 25 Mitglieder
    Bereits 1909 wurde in  Lösnich ein Gesangverein festgestellt, „der in den Sängerbund aufgenommen werden kann“.

Verkehr und Infrastruktur

In die Zeit von 1871 bis 1933 fielen besondere Bau- und Infrastrukturprojekte

Kaiserreich 1871-1918

  • 1879 Bau der neuen Pfarrkirche St. Vitus in Dorfmitte verbunden mit dem anschließenden Abriss der Vorgängerkirche auf dem Friedhof und der etwas später folgenden Erweiterung der Friedhofs.
  • 1896 Gründung der Spar- und Darlehnskasse als Genossenschaftskasse.
  • 1898/99 Anschaffung der Lösnicher Gierseilfähre. Nach dem Brückenbau 1968 wurde ihr Betrieb eingestellt. Bis dahin überquerten die Lösnicher mit privaten Nachen die Mosel, insbesondere zur Bewirtschaftung der Wingerte auf der gegenüberliegenden Moselseite.
  • 1904 Anschluss an das Streckennetz der Moselbahn und Bau des Bahnhofs Lösnich-Kinheim
  • 1904 Bau einer Fuhrwerkswaage am Gestade durch die Genossenschaft der Spar- und Darlehnskasse Lösnich.
  • 1914/15 Bau und Inbetriebnahme des Stromnetzes.

Weimarer Republik

  • 1927 Bau der Wasserleitung. Bis dahin standen in Lösnich zwei öffentliche Dorfbrunnen zu Verfügung.