Die Schulstraße

Zwischen den beiden Verbindungsstraßen Herrengasse und Breite Straße zwischen Hauptstraße und Gestade befindet sich die Schulstraße. 1962 war sie im Kataster noch mit „Schulgraben“ vermerkt. Der Flur oberhalb der Schulstraße hatte im Preußischen Urkataster von 1829 (Quelle Landeshauptarchiv Koblenz) den Namen „Auf der Schul“, 1962 ist er mit „In der Schul“ eingetragen.

Die Schulstraße im Lösnicher Dorfzentrum (Skizze Jürgen Schmid)

And der Ecke Hauptstraße – Schulgraben befand sich ein alter Fachwerkbau, in dem von Mitte des 17. Jahrhunderts bis 1839 Lösnicher Kinder unterrichtet wurden.

Die 1928 abgebrochene alte Schule (Foto Jürgen Schmid)

Es scheint naheliegend, dass dieses Gebäude auch für die Namensgebung der Straße „Schulgraben“, und den darüber liegenden Flurbereich „Auf der Schul“ verantwortlich war.

Lässt man die Schule mal außer Acht, könnte der Wortanteil Schul auch in Zusammenhang gebracht werden mit „Schultheiß oder Schul(tes)„. Der Schultes war ein eingesetzter Vertreter der jeweiligen „Herrschaft“ und Vorsitzender Richter des Hochgerichts, also eine wichtige und angesehene Persönlichkeit vor Ort. Das Amt war zuweilen auch mit einem Lehen der Herrschaft verbunden, das seine Versorgung gewährleistete. Das ist von daher interessant, da der Flur über dem Flur „An der Schul“ den Namen „In der Löhn“ trug, der sich aus „Lehn“ gebildet haben könnte. Hat er vielleicht in dem damals etwas größeren Anwesen zwischen Herrenstraße und Schulgraben seine Wohnsitz gehabt? Das wäre auch eine weitere Möglichkeit zur Namensdeutung für die Herrengasse (Heeregas) als ehemalige Zufahrtsstraße.

Noch spannender wird es, wenn man wieder die mundartliche Variante „Scholagrowe“ (Schulgraben) bzw. „Off der Schol“ mit einbezieht und auf lateinisch-römische Ursprünge hin untersucht. Der typische Aufbau eines römischen Marsch- oder Militärlagers bietet Begrifflichkeiten an, zu denen auch die Bezeichnung „Schola“ zählt. Desweiteren befanden sich um ein zur mit Holzpallisaden abgesichertes Marschlagerlager zusätzlich ein „Spitzgrabensystem“ bestehend aus einem oder mehreren Gräben. Da im Bereich des „Schulgrabens“ kein zur Mosel führender Wasserlauf vorhanden ist, der für die Bezeichnung „Graben“ ursächlich gewesen sein könnte, wäre hier eine Verbindung zur Namensgebung durchaus denkbar.

Aufbau eines römischen Marschlagers mit Fahnenheiigtum und Schola (Skizze Jürgen Schmid)

Als Schola wurde der Versammlungs- und Kulturraum der römischen Fahnen- oder Standartenträger in der römischen Truppe bezeichnet. Er lag nahe dem Hauptgebäudes eines römischen Marschlagers, der Principia. Die „Principia“ mit Vor- und Innenhof hatte an der Kopfseite einen meist kleinen viereckigen Raum, das Fahnenheiligtum oft mit der Legionskasse (kleiner Kellerraum unter dem Fahnenheiligtum). In direkter Nachabarschaft der Principia befand sich in der Regel das „Praetorium, das Wohngebäude des Kommandeurs dieses Lagers. Hier käme wieder die die benachbarte „Bräds- oder Praeds-Straße“ mit ins Blickfeld. Die „via praetoria“ war eine der vier Zufahrtswege ins und innerhalb des Marschlagers zur Principia. Auf Basis einer deutsch-französischen Karte von Tranchot/Müffling, die zwischen 1803 und 1820 entstand (Quelle Landschafts- und Flurkarten/Georlp), lässt sich folgende Situation an der Schulstraße skizzieren und die Situation vor Ort veranschaulichen. Auffallend ist der damals fast unbebaute Grünstreifen zwischen Schulgraben und Breite. Auch der Querweg zwischen Herrengasse und Schulgraben ist so heute nicht mehr vorhanden und erkennbar. In diesem Bereich befindet sich heute das Gelände einer ehemaligen „Brennerei“. War dieser Grünstreifen Teil des ehemaligen Grabensystems an der westlichen Pallisade eine römischen Lagers?

Ortslage eines möglichen ehemaligen Militärlagers am Schulgraben (Skizze Jürgen Schmid

Die heutige Schulstraße im unteren Teilbereich hin zum Gestade. Vorne rechts die Einfahrt zur Brennerei.

„Scholagrowe“ – Teilansicht Schulstraße hin zum Gestade (Foto Jürgen Schmid)D

Die Straße aufgenommen im Winter 1991 zeigt den heute bebauten Teil des Grabens hin zur Breite Straße. Der 1803 nach auf halber Höhe nach links in Richtung Herrengasse führende Weg war schon nicht mehr vorhanden (Zufahrt Gelände Brennerei).

Die Schulstraße 1991 vom Gestade aus gesehen. Rechts der heute bebaute Teil des „Grabens“ hin zur Breite Straße (Foto Jürgen Schmid)

Die Bezeichnung Praetorium wurde auch verwendet für das Hauptgebäude eines römischen Landsitzes oder ein Quartier an einer römischen Fernstraße für die bessergestellten Reisenden, ein Sachverhalt, der für Lösnich durchaus zutreffen könnte, da sich Lösnich im Umfeld einer römischen Fernstraße befand, die von Wederath (dem römischen Belginum) über den den Zeltinger Berg kommend die Mosel in Richtung Wittlich überquerte.

Den Namen Schola trug auch die 500 Mann starke berittene Gardetruppe spätrömischer Kaiser.