In der Lust

Oberhalb von Lösnich befindet sich heute im Wald eine Rast- und Grillhütte unweit des Flurbereichs „In der Lust“. Noch bis in die 1950er Jahre fand in diesem Bereich ein kleines “ Waldfest“ statt, an dem auch die beiden ortsansässigen Vereine, der Musik- und Gesangverein die Gäste in „freier Natur“ unterhielten und einiges zum Besten gaben.

Der Lösnicher Männergesangverein bei einem Vortrag „In der Lust“ um 1957 (Foto R. Gassen)

Vom Waldrand aus mit den zu Füßen liegenden Wiesen und Wingerten bietet sich eine tolle Aussicht ins gesamte Moseltal beginnend von Ürzig über Lösnich und Kinheim bis zur Moselschleife bei Kröv unterhalb der Ruine des ehemaligen Wolfer Klosters.

Blick von der Lust in Richtung Kinheimer Höhe und Wolfer Kloster. Mitte rechts befand sich im Villenbungert eine ehemalige römische Villa (Foto Jürgen Schmid)

Der schöne Blick in Richtung Ürzig über blühende Wiesen und Weinberge.

Blick aus Richtung der Lust bis zur Ürziger Urley (Foto Jürgen Schmid)

Die Lage des Flurs „In der Lust“ mit dem 1673 als „Sabersgraben“ erwähnten Flurbereich unterhalb der Lust, der in seiner Fortsetzung innerorts in den „Schulgraben“ mundartlich „Scholagrowe“ mündet.

Der Flur „In der Lust“ oberhalb des „Sabersgrabens“ (Foto und bearbeitung Jürgen Schmid)

Die landschaftlich anspruchsvolle Lage des Flurbezirks mit seinen ausgesprochen schönen Ausblicken ins Moseltal könnte durchaus zur Namensgebung mit beigetragen haben. Westlich vom Sabersgraben schließen sich die Flure Blenterdriesch und Blenterteich an. Die Namen dieser Flure sind mit großer Wahrscheinlichkeit römischen Ursprungs und auf das lateinische „plantaria“ zurückzuführen, das von den Römern für die Bezeichnung eines Bereichs zur Züchtung von Rebsetzlingen benutzt wurde.

Maßgeblich für die Namensgebung „In der Lust“ könnte jedoch der darunter liegende alte Flur „Sabersgraben“ gewesen sein, ein Name der heute nicht mehr in den Katastern auftaucht und wohl in Vergessenheit geraten ist. In einer alten Flurskizze von 1673 aus dem Archiv der Reichsgrafen von Kesselstatt, ehemaliger Grundherren der Herrschaft Lösnich ist dieser Namen jedoch ausdrücklich erwähnt und ausgewiesen (Quelle Kesselstattarchiv der Stadtbibliothek Trier, DK 5196, Bd. III). Aber was sollte der Sabersgraben mit dem Flur In der Lust in einen Bezug bringen?

Wie so häufig, könnte hier wieder eine griechisch-römische Gottheit eine gewichtige Rolle gespielt haben. Sabazios beziehungsweise Sabazius soll ein Sohn von Göttervater Zeus und Persephone gewesen sein und in der römischen Gottheit Dionysos wiedererstanden sein. Sabazius wurde einerseits als Gott des Ackerbaus verehrt, da er das blühende Leben der Natur repräsentierte, die immer wieder stirbt und neu erwacht. Gab es im Umfeld des Sabersgrabens womöglich einen vergessenen römischen Kultbezirk zur Verehrung des Gottes Sabazius beziehungsweise Dionysos? Mit Dionysos war auch ein besonderer Kult verbunden, der in seinen geheimen Riten gegen die Sitten verstieß, insbesondere auch gegen die Sexuellen. Grundsätzlich soll er sich ausgezeichnet haben durch übermäßigen Genuss jeglicher Art (Quelle Wikipedia, Beiträge Sabazios und Orgie). Ist es denn mehr als ein Zufall, dass der Flurbezirk über dem alten „Sabersgraben“ noch heute den Namen „In der Lust“ trägt? Der Beiname von Dionysos war Bacchus, der Gott des Weines, des Rausches, des Wahnsinns und der Extase. Er wird gern dargestellt in der Gestalt eines weinbekränzten Mannes im Kreise von fröhlichen Zechern (Quelle Wikipedia, Bacchus).

Ebenfalls in einem Zusammenhang mit der besonderen Verehrung des Gottes Dionysos könnte der Wingertsflur „Orgemunt“ (heute Ürgemünd) auf der linken Moselseite gegenüber von Lösnich stehen. Der Flurname könnte aus „Orgie“ und „mont“ (Berg) entstanden sein. Gab es hier eine regionale Besonderheit zur Verehrung dieser römischen Gottheit Dionysos? Eines kann mit Sicherheit angenommen werden, die Voraussetzungen zur Veranstaltung einer „zünftigen Feier“ mit reichlichem oder sogar übermäßigem Alkoholgenuss waren gegeben alleine durch die vorhandenen römischen Weinkelter in Lösnich und Erden, wie auch die Bierbrauerei im Lösnicher Hinterwald. Nicht zu vergessen, dass im benachbarten Kindeler Flur „Villenbungert“ bei der Ausgrabung einer dort gelegenen „villa rustica“ die Statue des gallo-römischen Weingottes „Sucellus“ gefunden wurde. Nach Gilles wurde Sucellus eher auf dem Lande verehrt als Gott für die Weinerzeuger und Produzenten und Bacchus beziehungsweise Dionysos als Gott des Weines für die Weingenießer und Konsumenten (Quelle Karl-Josef Gilles, Bacchus und Sucellus, 2000 Jahre römische Weinkultur an Mosel und Rhein, Rhein-Mosel Verlag, 1999).

Nachbildung des Sucellus im Pfarrhaus Lösnich (Foto Jürgen Schmid)

Bisher sind jedoch noch keine archäologischen Nachweise zu einem ehemals existierenden römischen Kult- oder Tempelbezirk im Bereich der Flure In der Lust und Sabersgraben vorhanden, aber diese fast gegenüberliegenden durch die Mosel getrennten Flure Orgemunt (Ürgemünd) und In der Lust bieten durchaus Stoff für Spekulationen.

Eine Einzige möglicherweise antike Scherbe, die Teil eines Kruges gewesen sein könnte, wurde bisher zufällig im östlichen Randbereichs des Flures an der Oberfäche gefunden, dort wo heute eine größere rechteckige Mulde in der Hangwiese existiert, über deren Entstehen aber nichts bekannt ist.

Möglicherweise antike Scherbe aus dem Bereich In der Lust/In der Grub (Foto Jürgen Schmid)

Der Fundort der Scherbe in der rechteckigen Mulde im Bereich In der Lust/In der Grub.

Fundort der Scherbe In der Lust/In der Grub (Foto Jürgen Schmid)