Grubenrech

Der bewaldete Flurbereich Grubenrech oberhalb von Lösnich wurde in Aufzeichnungen von 1675 noch als  „Steinkaul“ bezeichnet. Auf der Ebene oberhalb des Grubenrech befanden sich bis in die 1960er Jahre auch noch Ackerbauflächen.

Der Flur Grubenrech Anfang der 1960er (Foto Heinrich Schmitz bearbeitet von Jürgen Schmid)

Der Flurnamen Grubenrech basiert wahrscheinlich auf der vollständigen Bezeichnung Grubenrecht, bei der sich bei der mündlichen Überlieferung das „t“ am Ende irgendwann verschliffen hat. Dies ist auch zu beobachten bei den Fluren Galgenrech(t), Weidenrech(t) und Flickrech(t). Gibt der Name selbst schon einen Hinweis zur ehemaligen Nutzung dieses Flurbezirks?  Grube ist ein geläufiger Begriff im Bergbau. Wurde hier ehemals der Abbau von erzhaltigen Bodenschätzen betrieben?

Die oben genannten „Rechte“ finden sich regelmäßig  wieder in alten Weistümern, den niedergeschriebenen Rechtsvereinbarungen zwischen den adligen Grundherren und deren Lehnsleuten. So auch im Lösnicher Scheffenweistum von 1536. Hier heißt es: „Die Herren und Junckern haben Gebott und Verbott, Fluck, Zuck, Fundt, Prundt, Fischerey, Jagerey, Hoch- und Nierdergericht und auch alle Gewalt von unden bis an den Himmel, item Wasser und Waydt…“.
Hier erkennt man beispielsweise das grundherrliche „Wayd“ (Weiderecht) ausdrücklich erwähnt. Während sich dieses Weiderecht mit „Waydt“ als namensgebend für den in Lösnich auch vorhandenen Flur Weidenrech(t) anbietet, so ist das Fluckrecht, wahrscheinlich namensgebend für den Lösnicher Flur Flickrech(t) nicht ohne Weiteres selbsterklärend. Das Flick oder Fluckrecht bezeichnet das grundherrliche Besitzrecht über alles, was in der Luft fliegt und den Umgang damit, beispielsweise das Einfangen eines Bienenschwarms (Quelle Deutsches Rechtswörterbuch, Webseite Uni Heidelberg). Es ist im Zusammenhang zu sehen mit dem Fundt- und Prundtrecht, dass den Umgang mit „Gefundenem und Beute“ beschreibt, wozu auch das Berg-, Schatz-, und Fundregal gehört. So könnte das Lösnicher Grubenrech(t) seinen Ursprung haben in diesem im Schöffenweistum verbrieften Berg-, Schatz- und Fundregal der Lösnicher Grundherren.

Durch die ehemalige Anwesenheit der Kelten (500 v. Chr.) und Römer (ab 60 v. Chr.) ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass hier schon schon früh Bergbauaktivitäten bestanden haben. Insbesondere die Kelten waren bekannt für ihre ausgereiften Techniken zur Gewinnung und Verarbeitung der Metalle Bronze und Eisen. Die Qualität ihrer Eisenschwerter wurde auch von den Römern geschätzt.

Die Kelten bedienten sich einer besonderen Form des Abbaus oberflächennaher Erzvorkommen. Sie gruben bis zu mannshohe Löcher in den Boden (Pingen) und förderten das stein- und erzhaltige Bodenmaterial an den Rand der Gruben. Durch Selektion der erzhaltigen Steine entstanden an den Grubenrändern kleine Steinhalden, die meistens nicht wieder komplett zur nachträglichen Verschüttung der Grube nach ihrer Ausbeutung eingesetzt wurden. Man ließ diese kleinen Gruben einfach offen und widmete sich neuen Fundstellen.

Mögliche ehemalige Pingen im Lösnicher Wald (Foto Jürgen Schmid)
Mögliche ehemalige Pingen im Lösnicher Wald (Foto Jürgen Schmid
Mögliche ehemalige Trichtergrube im Grubenrech (Foto Jürgen Schmid)

Vorläufer der Pingen waren die sogenannten „Mollkauten“. In ihnen wurden durch Aufsammeln der erzhaltigen Moltersteine die Ausgangsprodukte für die Eisenerzeugung im Tagebau gewonnen (Quelle Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens, Bd. 2, Braunschweig, 1895). Als Rest einer ehemaligen Mollkaute könnte eine noch heute auffällige Vertiefung im Wiesengelände im östlichen Bereich des Flurs „In der Lust“ angesehen werden. Die Wiese ist in diesem Bereich noch heute sehr mit Steinen übersäht, was auch für den Bereich oberhalb des Weges über dieser Vertiefung zutrifft.

Vertiefung als möglicher Rest einer ehemaligen Mollkaute im Flurbereich In der Lust unterhalb vom Grubenrech (Foto Jürgen Schmid)

Das Eisen gewannen sie meist direkt vor Ort im Wald über ihre bekannten „Rennöfen“. Kohle und und Schlacke wurden am Ende des Verhüttungsvorgangs aus dem Ofen gekratzt. Die mit Schlacke durchsetzte Eisenmasse, die Luppe wurde durch Klopfen gereinigt, einer zweiten Hitze ausgesetzt und in Weißglut mit Hämmern geschmiedet (Quelle Max Jähns, Alte Trutzwaffen, Entwicklungsgeschichte der Trutzwaffen, Berlin 1899). Die Größe der Öfen betrug in in der Regel 0,5 bis 0,8 Meter im Durchmesser bei einer Höhe von 1,5 bis 2 Meter. Das notwendige Holz zur Befeuerung der Öfen stand vor Ort im Wald zur Verfügung, musste aber erst zur  Holzkohle aufbereitet werden. Die in der Regel runden Holzkohlemeiler sorgten ihrerseits zu grubenartigen Rückständen im Abbaugebiet. So könnte es auch im Lösnicher Grubenrech gewesen sein.

Schema eines Rennofen aus keltisch-römischer Zeit (Skizze Jürgen Schmid)

Bei genauerer Untersuchung des Lösnicher Waldgeländes fallen diese sehr häufigen grubenartigen Relikte mit entsprechenden Rückständen von Steinen an ihren Rändern noch heute auf.

Steinbrocken mit möglichen Schlackenresten aus dem Lösnicher Wald (Foto Jürgen Schmid)
Kleines Eisenfundstück aus dem Lösnicher Wald (Foto Jürgen Schmid)

Auch im Bereich des Lösnicher Friedhofs wurden mögliche Schlackenreste gefunden, die bis in die keltische Zeit zurückgehen können. Das hier einmal eine römische Siedlungseinheit bestanden hat, kann aufgrund vorhandener Funde von Ton- und Ziegelresten als sicher angenommen werden.

Schlacke Friedhofsgelände Lösnich (Foto Jürgen Schmid)
Schlacke Friedhofsgelände Lösnich (Foto Jürgen Schmid)
Römische Ziegelscherben Friedhofsgelände Lösnich (Foto Jürgen Schmid)
Römische Ziegelscherbe Friedhofsgelände Lösnich (Foto Jürgen Schmid)

Zeugnisse und Nachweise von Abbautätigkeiten ab dem Mittelalter sind leider nicht bekannt. Einzig der Flurname „Auf der Schmitt“ oberhalb der Pfarrkirche mit dem in der Nähe liegenden „Hohlweg“ als Verbindungsweg in den Flur Grubrech könnte noch ein Hinweis auf die keltische Eisengewinnung sein. Ein mögliches Szenario wäre, dass der „Hohlweg“ ganz einfach seinen Namen davon hat, dass über diesen Weg das abgebaute Steinmaterial „aus der Grub“ zur Weiterverarbeitung in den Bereich „ auf der Schmitt“ gebracht wurde. In einer Flurkarte der Reichsgrafen von Kesselstatt wird der Weg 1675 noch als „Hollenweg“ bezeichnet. Eine Hinweise zu einer Schmiede in diesem Bereich ist in keinen historischen Dokumenten bis zurück ins Mittelalter zu finden. Weitere sehr auffallende Abbaurelikte (Pingen) sind auf der Höhe des Galgenrech nachzuweisen, wie auch in den westlichen Hangbereichen des oberen Irkertsbachs in direkter Nachbarschaft zum Flur „Auf der Grub“.

Mit dem Grubenrech in Verbindung stehen könnte auch der benachbarte Wiesenflur „Geiswies“unterhalb der heutigen Waldkapelle im Bereich der Oberbach, der in einer Flurskizze von 1675 mit dem Bezeichnung „Gänswies“ auftrat (Quelle Archiv der Reichsgrafen von Kesselstatt, Stadtarchiv Trier, Bestand DK 5196). Das durch die Kelten abgebaute und auch direkt vor Ort verhüttete Eisenerz wurde zur weiteren Verarbeitung zu kleinen spitz zulaufenden Eisenbarren geschmiedet, die als Luppenstäbe, Schirbel oder „Gänse“ bezeichnet wurden (Quelle Max Jähns, Alte Trutzwaffen, Entwicklungsgeschichte der Trutzwaffen, Berlin 1899). Funde dieser Barren sind sehr selten, im Kulturpfälzischen Museum Heidelberg sind zwei solcher Spitzbarren ausgestellt mit einer Länge von ca. 40 cm und einem Gewicht von etwa 5 kg.

Form eines keltischen Eisenbarrens (Schemazeichnung Jürgen Schmid)

Liegt hier womöglich der Grund für die historische Namensgebung Gänswies, weil hier immer wieder Reste solcher kleiner Eisenbarren bei der Feldarbeit gefunden wurden?

Der ehemalige Flur Gänswiese (heute Geiswiese) in Lösnich 2021 (Foto Jürgen Schmid)