Die Landwehr bei Zeltingen-Rachtig

Im Bereich des Moselbogens zwischen Bernkastel-Kues und Traben-Trarbach befindet sich auf dem Plateau der Zeltinger Moselhöhen ein etwa 800 Meter langer Wallgraben. Er verläuft in nordsüdlicher Richtung von der Quelle des Lösnicher Böngertsbaches (Hubertusquelle) in Richtung Wehlen und wird heute im mittleren Teilbereich durch den Neubau der B50 durchbrochen.

Die Zeltinger Landwehr von der B50 in Richtung Moseltal bei Zeltingen gesehen (Foto Jürgen Schmid)
Verlauf des Wallgrabens
Lage der ehemaligen Landwehr bei Zeltingen nach Bau des Hochmoselübergangs bei Zeltingen-Rachtig und Ürzig (Foto Jürgen Schmid)
Der Graben im Schnitt mit Bemaßung.
Die Zeltinger Landwehr auslaufend in Richtung Lösnicher Gemarkung zum Quellbereich der Böngertsbach (Foto Jürgen Schmid)

Landwehrgraben

Landwehren waren Grenzsicherungswerke für Territorien und Siedlungsgebiete  im Mittelalter (13./14. Jh.) und sind zum Teil als Bodendenkmäler erhalten und auch unter Denkmalschutz gestellt (z.B. Rothenburger Landhege). Sie dienten vorwiegend als Schutz gegen Übergriffe von Nachbarn oder Feinden, aber auch auch als wirksame Zollgrenzen zur Kanalisierung von Verkehrsräumen. Der Aufbau dieses linearen Wallgrabensystems mit einer relativ undurchdringlichen Bepflanzung der Wälle mit Baumbeständen, Dornenhecken und Büschen behinderte das einfache Überqueren der Systeme für Personen und Fuhrwerke und das einfache Überspringen mit Pferden. Oft hatte die Landwehr eine oder mehrere kontrollierte Durchgangsstellen. Durch geeignete Anfangs- und Endpunkte der Landwehr an stark abschüssigem Gebiet oder Geländekanten wurde zusätzlich die Möglichkeit zum Umfahren des Wallsystems erschwert oder völlig verhindert.

Aufbau eines Landwehrgrabens mit zwei Wällen und einem Graben zwischen den Wellen.

Ausgeführt wurden die Landwehren in Form eines oder mehrerer parallel verlaufender Erdwälle mit Gräben vor, zwischen und hinter den Erdwällen. Die Wälle entstanden aus dem Erdaushub beim der Gräben (Quelle Wikipedia/Landwehr).

Bei der Zeltinger Landwehr handelt es sich um einen Graben begleitet von zwei Wällen mit möglicherweise nur einer Durchlassstelle. Diese könnte sich an dem ehemaligen Fernweg befunden haben, der bereits als keltisch-römische Fernverbindung von Wederath (römisches Belginum) vom Hunsrück über Longkamp, Bernkastel und Graach in Richtung Zeltinger Plateau führte und hier wahrscheinlich bei Rachtig hinab ins Moseltal zur Überquerung der Mosel in Richtung Eifel. Im Umfeld der Landwehr trifft das kurkölnische Zeltingen auf die Herrschaft Lösnich (ebenfalls kurkölnisch), auf die Gemarkung von Wolf als Teil der Grafschaft Sponheim und der Germarkung Wehlen, beide in kurtrierischen Hoheitsgebiet. Damit war hier durchaus ein territoriales Spannungsfeld gegeben, dass auch in den Kriegen des 17. und 18. Jahrhunderts seine Auswirkungen hatte. Auch in diesen Kriegen gerieten die bereits vorhandenen Landwehren wieder ins Blickfeld und konnten wieder zur Feindabwehr reaktiviert werden.

Auslauf der Zeltinger Landwehr Am Moselhang Richtung Wehlen (Foto Jürgen Schmid)
An der Hangkante der Landwehr Zeltingen mit Blick auf Ortsausgang Wehlen Richung Ürzig (Foto Jürgen Schmid)

Historisches Quellenmaterial als direkter Nachweis für das Vorhandensein einer mittelalterlichen Landwehr in Zeltingen liegt leider noch nicht vor, aber eine alte Karte erstellt von “ Segnieur Vosgin, Inenieur de Roi“ aus dem Jahre 1688 mit dem Titel „Environs de Mont Royal“ zeigt nahezu genau entlang der Linie der heutigen Landwehr einen scharfen Schnitt des Waldgebietes von der Gemarkung Wolf kommend hin zur Rachtiger Heide.

Skizzierte Veranschaulichung der Waldgrenze auf Basis der Vosgin-Karte von 1688 (J. Schmid)

Laut Karte endete hier der Baumbestand und ging abrupt über in landwirtschaftlich genutzte Flächen. Eine leichte Einfärbung der Linie durch den Zeichner könnte die alte Landwehr andeuten. Eine Kopie der Karte aus der Zeit der Reunionsvorgänge des französischen Königs Ludwig XIV. ist im Mittelmosel-Museum Traben-Trarbach deponiert (Quelle Artur Weber, Graach in Raum und Zeit, 2006, S. 435 f. ).

Die Landwehr und die Zeltinger Burg

Zwischen der vermuteten Landwehr auf dem Zeltinger Plateau und dem Ort Zeltingen im Moseltal ist noch heute die Ruine der Zeltinger Burg in den Steillagen der Weinberge gut zu erkennen. Sie befindet sich in gut 700 Meter Entfernung von der Landwehr.

Ruine Burg Zeltingen (Foto Jürgen Schmid)
Blick von der Ruine nach Zeltingen (Foto Jürgen Schmid)

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Anlegung der Landwehr in einem direkten Zusammenhang mit dem Bau und der Geschichte dieser Burg steht. Es wird angenommen, dass Zeltingen-Rachtig als ursprüngliches Reichsgut des Kaisers zum Kröver Reichskomplex gehört haben könnte und zu bestimmter Zeit an die Kölner Kirche gegangen ist. Eine Entwicklung einer eigenen Landeshoheit wie in Lösnich hat hier nicht stattgefunden. Den Rachtiger Moselzoll schenkte Köln an die Abtei Deutz. Kölnischer Besitz in Zeltingen-Rachtig wurde erstmals 1182 genannt. Kirchlich gehörte Zeltingen zum Erzstift Trier. Das Patronat ging 1252 durch eine Schenkung Mechthilds von Sayn an den Deutschen Orden.

Der Ort Zeltingen-Rachtig wurde erstmals 1182 vom Kölner Erzbischof verpfändet, weitere Verpfändungen sollten folgen. Erzbischof Philipp von Heinsberg (Amtszeit 1167-1191)war in dieser Zeit sehr um die Vergrößerung seines Einflussbereiches und seiner Territorien bemüht. Zur Aufbesserung seiner „finanziellen Möglichkeiten“ verpfändete er 1182 Höfe zu Rhens, Senheim, Zeltingen und Rachtig an Erzbischof Arnold von Trier, der aber bereits 1183 verstarb. Das hatte zur Folge, dass Kaiser Friedrich I. Barbarossa (Amtszeit 1155-1190) von seinem sogenannten „Spolienrecht“ Gebrauch machte und Arnolds Nachlass zum Reich einzog, ungeachtet dessen, dass die beiden Ortschaften von Erzbischof Philipp von Köln an Trier verpfändet worden waren. Dies und weitere Differenzen führten ab den 1180er Jahren zu einem langjährigen Streit mit dem Kaiser. In diese Zeit der Krise wird auch der Bau der Zeltinger Burg datiert.

EB Philipp, stetig bemüht, seine Macht auszubauen und seinen Einflussbereich durch den Kauf von Landgütern und Bau und Kauf von Burgen zu erweitern, sah es wohl als sinnvoll an, auch in seiner abgelegenen Enklave Zeltingen-Rachtig eine Feste zu errichten. Die extensive Expansionspolitik Philipps hat wohl hauptsächlich dazu beigetragen, dass es verstärkt zu Differenzen mit dem Kaiser kam. Philipp sammelte Verbündete um sich und an einem Tag in Köln im März 1187 sollen um die 4.000 Edelleute nach Köln gekommen sein, um sich gegen den Kaiser auf die Seite Philipps zu schlagen. Bereits 1186 soll sich Philipp selbst vor Ort nach Rachtig an die Mosel begeben haben. Im Sommer 1187 kam es dann zum Zusammenstoß mit den kaiserlichen Truppen an der Mosel. Friedrich I. Barbarossa war von seinem französischen Bundesgenossen zum Beistand gegen England gerufen worden und wollte an der Mosel über kurkölnischen Gebiet ziehen. Hier zerstörten die Kölner eine vom Kaiser über die Mosel gebaute Brücke und verweigerten ihm auch den Zug über ihr Gebiet über den Rhein.

Letztlich endeten die Auseinandersetzungen zwischen Köln und dem Reich auf dem Mainzer Hoftag 1188 mit einer Versöhnung von Erzbischof Philipp und Kaiser Friedrich I. Barbarossa.

Quellen:

  1. Dr. Franz Schönberger, Geschichte des kurkölnischen Amtes und der Dörfer Zeltingen und Rachtig an der Mosel, Druckerei J. Duekwitz, Bonn 1939).
  2. Wikisource, Wilhelm Martens, ADB Allgemeine Deutsche Biographie, Philipp von Heinsberg

Der vermutete Bau der Zeltinger Landwehr in der Zeit des Streits zwischen dem Kölner Ezbischof Philipp von Heinsberg und Kaiser Friedrich I. Barbarossa Ende des 12. Jahrhunderts kann als eine durchaus probate Sicherungsmaßnahme gegen einen Einfall in die Burg oder einen Beschuss derselben vom Zeltinger Plateau aus gesehen werden. Möglicherweise konnte sie auch in den Kriegen der folgenden Jahrhunderte immer wieder nützliche Dienste leisten.


Burg und Amt Zeltingen-Rachtig wechselten nun häufig ihre „Pfandinhaber“. 1239 sind es die Grafen von Sayn, sie waren auch Vögte der Kölner Kirche. Nachdem das Patronat der Kirche, zu dem auch Erden und Lösnich gehörten, 1252 an den Deutschen Orden gegangen war, erhoben die Grafen von Veldenz wegen familiärer Verflechtungen Anspruch auf die Burg Zeltingen, derer sich die Veldenzer schließlich bemächtigten. In der Zeit bis 1345 geriet die Burg wieder in Besitz der Kölner, denn im selben Jahr verpfändete Erzbischof Walram von Köln diese mit der Zeltinger Amtmannschaft für die Summe von 4.000 Gulden an Ritter Konrad von Lösnich.

In der Folgezeit wechselten die Pfandinhaber sehr schnell, da wohl der Geldbedarf der Kölner nicht nachzulassen schien. 1351-1361 waren es die Grafen von Sponheim, 1366 wurden Burg und Amt als Sicherheit für 5.000 Gulden an Erzbischof Kuno von Trier gegeben. Die Rückgabe erfolgte 1389. Nach weiteren Verpfändungen waren Zeltingen und Rachtig von 1459 bis 1527 in der Hand des Hospitals von Kues, vertreten durch Nikoluas von Kues. Damit war das Ende der Verpfändungen zur Geldmittelbeschaffung noch nicht erreicht. Ein letztes Mal geschah dies 1585 an Markgraf Philipp von Baden. Die Pfandschaft wurde 1586 wieder eingelöst (Quelle Dr. Franz Schönberger, Geschichte des kurkölnischen Amtes und der Dörfer Zeltingen und Rachtig an der Mosel, Druckerei J. Duekwitz, Bonn 1939).

Diese Vielzahl von Verpfändungen haben fast 300 Jahre die Geschichte von Zeltingen-Rachtig mit der dazugehörigen Burg geprägt. Die Burg selbst verlor durch die veränderten Kriegstechniken zunehmend an Bedeutung

Die Kriege in der Folgezeit, wie der Dreißigjährige Krieg (1618-1648), der Pfälzer Erbfolgekrieg, die Reunionen des französischen Königs Ludwigs XIV. (Festung Mont Royal) und der Spanische Erfolgekrieg im beginnenden 18. Jahrhundert brachten vielfältige Belastungen und Kriegskosten verursacht durch durchziehende und logierende internationale Truppenteile.

Die offizielle archäologische Einordnung des Wallgrabens ist jedoch noch offen.

Vergleich mit anderen Landwehren

Der Vergleich der Zeltinger Anlage mit bereits dokumentierten Landwehren lässt den Schluss zu, dass es sich hier auch um eine Landwehr handelt. Sie ist vergleichbar mit folgenden Wallgrabensystemen:

Landwehr in Bruttig-Fankel

Dieser Wallgraben im Moselort Bruttig-Fankel befindet sich im Gemarkungsbereich Wolfskaul.

Die Landwehr bei Bruttig-Fankel im Juni 2022 (Foto Jürgen Schmid)

Im Bereich des dort ausgewiesenen „Archäologischen Wanderweges“ kann die Landwehr besichtigt werden. Sie hat mit Zeltingen gemeinsam, dass sie sich ebenfalls an einer Engstelle gebildet durch zwei Täler befindet. Wie in Zeltingen erscheint sie auch im Zusammenhang mit einer Flurbezeichnung „Wolfskaul“. Als Wolfskaulen wurden bodenvertiefte Fangeinrichtungen für Wölfe bezeichnet, die häufig in Verbindung mit Landwehren auftraten, weil die Grabenwallsysteme geeignet erschienen, Wölfe in Fallgruben zu leiten, da sie das Dickicht auf den Wällen nicht durchdringen konnten (Quelle Wikipedia/Landwehr). So weist eine 1652 entstandene Kartenskizze des kurkölnischen Amtes Zelting-Rachtig einen Markstein an der Wolfskaul aus, die sich lagemäßig am möglichen Auslauf der Landwehr hin zur Wehlener Gemarkung befand (Quelle Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 655,123 Nr. 9)

Landwehr Boppard Buchholz/Pfaffenheck

Eine weitere recht große Landwehr kann eingesehen werden bei Boppard Buchholz/Pfaffenheck. Auch sie befindet sich an einer Engstelle, die heute durch die Autobahn A61 durchbrochen ist. Die Länge der Landwehr betrug etwa 1,2 km.

Landwehr bei Boppard-Bucholz 2022 (Foto Jürgen Schmid)

Wallgraben bei Ellenz-Poltersdorf

Ein weiteres mögliches Landwehrsystem befindet sich in Ellenz-Poltersdorf auf der Moselhöhe gegenüber Beilstein. Eine Dokumentation dazu liegt nicht vor, aber Struktur und Aufbau gleichen den bereits aufgeführten Landwehren. Auch dieser Wallgraben befindet sich auf der Höhe an einer Engstelle und könnte den Weg hinunter ins Tal nach Ellenz-Poltersdorf abgesichert haben. Die offizielle archäologische Einordnung der Anlage ist bisher jedoch noch nicht erfolgt.

Landwehr Ellenz-Poltersdorf 2022 (Foto Jürgen Schmid)

Wallgraben Maisborn

Ebenfalls nicht in historischen Quellen erwähnt ist das 800 m lange Wallgrabensystem im Wald von Maisborn bei Laudert im Rhein-Hunsrück Kreis. Maisborn befand sich mit Laudert im Grenzbereich zwischen Kurtrier und Kurpfalz (Quelle Regionalgeschichte.net/hunsrück/maisborn/kulturdenkmaeler/roemerwall-landwehr.html). Die hier als „Römerwall“ bezeichnete noch gut sichtbare Landwehr besteht hier aus einem Wall, der links und rechts von einem Graben begleitet wird

Wall der Landwehr Maisborn mit flankierenden Gräben (Foto Jürgen Schmid)
Graben der Landwehr bei Maisborn (Foto Jürgen Schmid)
Wallabschnitt der Landwéhr bei Maisborn (Foto Jürgen Schmid)

Wallgraben am Gotteshäuserhof bei Treis

Am Fuße der Erhebung des Treiser Schock wird der Wallgraben von der L108 Richtung Lieg unterbrochen. Er riegelte wohl unter Ausnutzung der besonderen örtlichen Gegebenheiten der zusätzlich vorhanden Bachtälern auf beiden Seiten des jeweils auslaufenden Grabens den Zugang über die L108 von den Höhen des Hunsrücks nach Treis-Karden ins Moseltal ab.

Lage der Landwehr bei Treis an der L108 (Skizze Jürgen Schmid)
Die Treiser Landwehr am Gotteshäuserhof unterbrochen durch die L108 (Foto Jürgen Schmid)

Denkbar ist, dass diese Landwehr die vom Hunsrück kommenden Verkehrs- und Handelsströme nach Treis-Karden kontrollierte und auch Zollstation gedient haben könnte.

Graben der Landwehr Treis oberhalb der L108 (Foto Jürgen Schmid)

Weiterführende Dokumentationen und Veröffentlichungen zu Landwehren

Eine weitergehende übergreifende Dokumentation zu möglichen mittelalterlichen Landwehren in der gesamten Hunsrück-, Eifel- und Moselregion liegt noch nicht vor. Hier hat sich die Altertumskommission für Westfalen-Lippe (LWL) als wissenschaftliche Kommission für Landeskunde des Landwirtschaftsverbandes Westfallen-Lippe 2014 dem Phänomen von Landwehren im Besonderen genähert und eine Schriftenreihe dazu vorgestellt. Bereits im frühen 20. Jahrhundert gerieten diese Landwehren in den Fokus der Altertumsforschung in Westfalen. Ziel war die Kontextualisierung, ob und warum eine Landwehr angelegt worden war (Quelle Debora Zarnke, Bodendenkmal mit System – die Landwehren in Westfalen, Archäologie in Westfalen 2016). So wurde für das Thema sensibilisiert, das Landwehren aufgrund ihres oft unauffälligen Erscheinungsbildes im Gelände oft nicht als schutzwürdig wahrgenommen werden. Die Ergebnisse und Veröffentlichungen des LWL zeigen, dass sie einen hohen Verbreitungsgrad hatten und oft noch gut in der Landschaft zu erkennen sind, obwohl viele bereits abgetragen wurden, wann immer sie der Feldwirtschaft oder auch dem Straßenbau im Wege waren. Die Forschungsarbeiten des LWL machen so auf diese meist vergessenen Landwehren aufmerksam. Dazu zählen beispielsweise die Landwehren in Altenberge, Vreden, Höxter, Lüdge, Senden-Bösensell und Beckum. Kartierungen, Fotos und Detailbeschreibungen dieser Landwehren sprechen dafür, dass es sich beim Zeltinger Lineargrabensystem offensichtlich auch um eine mittelalterliche Landwehr handelt.

Weitere mögliche Entstehungsszenarien für Wallgräben

1. Keltisch-römische Zeit

Das Plateau des Moselbogens oberhalb von Zeltingen wird als keltische Siedlungskammer der Latene Zeit (ab 500 v. Chr.) eingeordnet. Eine römischer Brunnen unweit des Quellbereichs Böngertsbach  und ein römisches Landgut (Lösnicher Hinterwald) belegen die Besiedlung der Region vom 1. bis 5. Jahrhundert nach Christus.

Römerbrunnen auf der Zeltinger Höhe am Weg zum ehemaligen römischen Landgut im Lösnicher Hinterwald (Foto Jürgen Schmid)

Geht der Ursprung des Wallgrabens sogar zurück in  die keltisch/römische Zeit? Stellt er womöglich einen Grenzsicherungsgraben in Form des bekannten „Limes“ der Römer dar?

2. Befestigungsanlage aus der Zeit der Ungarneinfälle im Frühmittelalter

Mit der Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg endete 955 die Zeit der Ungarneinfälle im Ostfränkischen Reich. Seit Ende des 9. Jahrhunderts überfielen ungarische Reiterhorden immer wieder das Gebiet und forderten hohe Tributzahlungen. Heinrich I., der sächsische König des Ostfrankenreichs (919-936) trieb zur Abwehr dieser ständigen Überfälle aus dem Osten im ganzen Land den Bau von Wallanlagen und Schutzburgen voran, die auch als Truppenstützpunkte und Schutzräume insbesondere der bäuerlichen Bevölkerung dienten. Ein anschauliches Beispiel bildet die „Pfarrerschanze bei Todtenweis“ im Schwäbischen (Quelle Wikipedia, Ungarneinfälle, Ungarnwälle und Pfarrerschanze (Todtenweis)).

Möglicherweise verriegelten die Zeltinger mit dem noch heute sichtbaren Wallsystem auf dem Zeltinger Berg schon im 10. Jahrhundert so die Hochfläche für eindringende ungarische Reiterhorden?

3. Schanze oder Hindernisgraben des 30-jährigen Krieges

Auch im 30-jährigen Krieg (1618-48) entstanden viele Schanzen und Grabensysteme, um feindliche Truppen aufzuhalten, beispielsweise die Schwedenschanze bei Koblenz. In Zeltingen waren im Dreißigjährigen Krieg auch Spanier und Hessen einquartiert. 1677 und 1679 lagen osnabrückische Truppen im Quartier in Zeltingen (Quelle Dr. Franz Schönberger, Geschichte des Kurkölnischen Amtes und der Dörfer Zeltingen und Rachtig, 1939).

4. Feldschanzen aus der Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs (1701 – 1714)

Auch im Zusammenhang mit dem Spanischen Erbfolgekrieg wurden vielerorts Schanzen angelegt.

Noch vor seinem Tod hatte der letzte habsburgische König von Spanien Karl II. den 2. Sohn des französischen Dauphins, Philipp, Herzog von Anjou als Nachfolger bestimmt. Das stieß jedoch auf Widerstand der Österreich und seiner Verbündeten. 1702 war Kurtrier an der Seite der Feinde Frankreichs, Kurköln war zeitweise ein Verbündeter Frankreichs. Trier wurde von den Franzosen besetzt und die Bürger mussten die aufgeworfenen Schanzen um die Stadt versorgen. Im gleichen Jahr besetzte der französischen Kommandant Tallard den Moselriegel mit der Grevenburg bei Traben-Trarbach und 1703 kam es zur Abwehr gegnerischer Verbündeter in der Region. 1704 besetzte der englische Herzog „Duke of Marlborough“ die Burg. Danach ging sie bis 1714 an die Holländer, anschließend an Kurtrier. 1734 wurde sie von den Franzosen gesprengt.

Nachdem Marlborough 1704 als Befehlshaber der Alliierten (England, Niederlande, Österreich) Trier eingenommen hatte, ließ er nach Abzug der Franzosen auf den Höhenzügen links und rechts der Mosel eine Vielzahl von Verschanzungen (Feldschanzen) anlegen. Hier besetzten nach Emil Zenz zeitweise 13.000 dänische, württembergische, brandenburgische und andere Alliierte die Stellungen. 1705 zogen die Franzosen wieder kampflos in Trier ein und schleiften wiederum Marlboroughs Anlagen.
(Quelle Datenbank der Kulturgüter in der Region Trier und  Wikipedia)

Eine Rechnung der Herrschaft Lösnich-Bausendorf über Kriegskosten von 1702 bis 1705 dokumentiert die Anwesenheit von Regiments-  und Truppenteilen in dieser Zeit und die damit verbundenen Versorgungsaufwendungen und Kontributionszahlungen.

 So war vom 8. November bis 24. Dezember 1704 das halbe „Brünkische Regiment“ (Habsburger) mit 380 Mann  einlogiert mit 4 Leutnants, 4 Fendrichs und 4 Captains, Obristleute vom Regiment von Dackenhausen (?)  und 34 Pferden.

Vom 4. Januar bis 17. April 1705 war das Dragoner Brenigs Regiment in Lösnich einquartiert. Dabei vom 4. bis 14. Januar eine halbe Companie  Regiments mit 34 Pferden und vom 14. Januar bis 25. Februar die ganze Companie. Vom 25. Februar bis 17. April eine halbe Companie des Regiments.  

Am 24. Dezember 1704 hat in Bausendorf ein ganzes Dänisches Infanterie Regiment übernachtet und musste versorgt werden. Zwei Tage vorher waren schon die Quartiermeister des Regiments mit 30 Mann angereist. Desweiteren mussten die Bausendorfer dem Regiment 16 Pferde zum Vorspann bis nach Hetzerath mitgeben. Pferde wurden auch als Zugtiere für Geschützlafetten benötigt. Anteilsmäßig musste Bausendorf auch auch Versorgungslieferungen für die einquartierten Truppenteile in Lösnich liefern (Quelle Archiv der Reichsgrafen von Kesselstadt, Stadtbibliothek Trier).

Es ist denkbar, dass der Zeltinger Wallgraben in dieser Zeit entstanden ist, beziehungsweise aus aus einer bereits vorhandenen Landwehr reaktiviert wurde. Die Anlegung könnte ab 1702 durch die Franzosen oder ab 1704 durch  Herzog Marlborough angeordnet worden sein.  Die längeren  Einquartierungen  von Regimentsteilen in Lösnich und Bausendorf (Herrschaft Lösnich war mit dem Amt Zeltingen kurkölnisch) könnten in Zusammenhang stehen mit einer befristeten Feldschanzenbesetzung auf der Zeltinger Höhe.

Auf dem Zeltinger Berg konnten durchaus kurtrierische Truppen und ihre kaiserlichen Verbündeten (Engländer, Holländer, Österreicher) auf französische Truppen und deren Verbündete (Kurbayern, Kurköln) treffen, da Kurköln mit seinem Amt Zeltingen-Rachtig hier eine absonderliche Enklave mitten im Kurtrierer Einzugsgebiet bildete.  Die in Lösnich stationierten Einheiten kaiserlichen Truppen unter Führung des Herzogs von Marlborough (England) im Winter 1704/05 sprechen dafür. Marlborough hatte 1704 das 1702 von den Franzosen besetzte Trier wieder zurückerobert.

 5. Teil der Graacher Schanzen

Der Graben könnte auch in Verbindung stehen mit den Graacher Schanzen. Diese Wehr- und Hindernisgräben  entstanden von 1794-1798, als das französiche Revolutionsheer die linke Rheinseite annektierte. Von März bis September 1794 veranlassten preußische und österreichische Truppen den Bau der Schanzen, die zur Abwehr von Angreifern auf dem Hunsrück dienen sollten. Im September 1794 zogen sich die Preußen vor den herannahenden Franzosen zurück und brachen den Bau ab. Die Franzosen setzten den Bau jedoch bis 1798 fort.

Weitere Schanzen in diesem Zusammenhang entstanden zwischen Traben-Trarbach, Monzelfeld und Longkamp, wie auch zwischen Enkirch und Irmenach.

Eine genaue Einordnung des Zeltinger Grabens ist noch offen.

6. Panzersperre oder Stellungsgraben des 1. Oder 2. Weltkrieges

Der Verlauf des Grabens könnte dafür sprechen, dass es sich um einen Stellungs- oder Panzergraben aus dem 2. Weltkrieg handelt.  Er blockiert den Zugang zum Plateau des Moselbogens über Zeltingen- Rachtig, Erden und Lösnich und damit den Zugang mit schwerem Gerät über das Plateau in die genannten Orte und er befindet sich an der schmalsten Stelle ( ca. 800 m) des Moselbogenplateaus. Nur Lösnich konnte noch über Waldwege vor dem Graben erreicht werden. Auf Zeltingener Seite mit Blick nach Wehlen fällt der Hang schroff ab, so dass dort eine Umgehung des Grabens nicht möglich war.

Etwa in der Mitte des Grabens scheinen sich noch Lauf- und Kriechgräben in Richtung Rachtig angeschlossen zu haben.

Im Ort Lösnich wurden zu Ende des 2. Weltkrieges noch Panzersperren und Gräben an Ortsein- und Ausgang angelegt, wie Zeitzeugen berichtet haben.