Der Weinbergsflur Rothkirch

Zuweilen macht es Sinn, einen Flurnamen und seine mögliche Herkunft auch im regionalen Zusammenhang über die heutigen Gemarkungsgrenzen hinweg zu betrachten. Der Flur Rothkirch befindet sich in Erdener Gemarkung und im damit auch im näheren Einzugsgebiet von Ürzig, Lösnich, Kinheim und Kröv. Führt doch häufig die zugrunde liegende Entstehungszeit bis in die fränkische, römische und sogar keltische Zeit zurück, eine Zeit, in der die heutigen Gemarkungsgrenzen noch keine Rolle gespielt haben. Die keltischen Siedlungen, römischen Höfe und Kelteranlagen, oft auch verbunden mit Tempelanlagen und Kultbezirken lagen verstreut links und rechts der Mosel, oder in den Hängen und Höhenlagen, bis mit den Franken nach und nach territoriale Veränderungen Einzug hielten. Es entstanden Burgen, Dörfer und Herrschaften mit festen Grenzen und geregelten Eigentumsverhältnissen.

Die heutigen zusammenhängenden Flure Auf Rothkirch, In Rothkirch und Unten in Rothkirch könnten von ihrer Namensgebung her in die fränkische Zeit verweisen.

Die Rothkirch Fluren im Erdener Berg (Foto Jürgen Schmid)

Vordergründig scheint es nicht abwegig, die Wortanteile Roth und Kirch als Hinweis zu sehen, dass der Name auf eine ehemalige alte Anbaufläche für Kirschbäume verweist. Ein Berg, auf dem in sonnengünstiger Lage besonders rote Kirchen heranreiften? Roth könnte sich jedoch auch ableiten aus „Rod“, der landläufigen Bezeichnung für Gebiete, die durch Rodung von Waldbeständen urbar gemacht wurden. Da dieser Flur jedoch eine sehr steile Hanglage beschreibt, ist diese Herleitungsmöglichkeit eher als unwahrscheinlich einzuordnen

Aber was könnte sonst zu dieser Namensgebung geführt haben? Hier könnte eine Veröffentlichung von Hans Eggers einen entscheidenden Hinweis geben, der sich in seinem Buch Deutsche Sprachgeschichte I. unter der Rubrik Angelsächsische Einflüsse auch mit der Herkunft und Bedeutungsvielfalt des Wortes „Rod“ beschäftigt hat. Und hier wird es spannend.

Dieses kleine Wort „Rod“ steht im angelsächsischen  für „ Kreuz Christi“. Es wäre möglich, dass der aus Irland kommende Mönch Willibrord Urheber für die Verbreitung des Wortes „Rod“ auch  im Rheinland ist. Im 7. Jahrhundert begann er seine Missionstätigkeit zur Verbreitung des Christentums im Friesischen und wirkte auch bis ins Rheinland hinein. 2010 veröffentlichte die Morgantown Universität in West Virginia/USA einen sprachwissenschaftlichen Artikel über Bezeichnungsformen für das „Kreuz und die Kreuzesform“ (Cross and Cruciform in the Anglo-Saxon World) im Angelsächsischen Sprachraum (heute Irland und England). Hierbei wird sehr ausführlich auf die Verwendung der Bezeichnung „halgan rode“ für heiliges Kreuz und  „rode tacne“ das Kreuzzeichen eingegangen.

Bezieht man diese Erkenntnisse mit ein in eine zweite Interpretation der Flurnamens Rothkirch, so könnte der Flurname auf eine alte christliche Kirche mit dem  Namen „Kreuzkirche“ verweisen, die zur Zeit der mosel- und rheinländischen Christianisierung hier gestanden haben könnte.

Brachlandfläche auf Rothkirch (Foto Jürgen Schmid)

Im Flurbereich Rothkirch befindet sich unterhalb der L58 eine exponierte Brachlandfläche mit einem weiten Blick über das gesamte Moseltal. Diese kleine Ebene, unter der sich die steilen Hanglagen des Erdener Berges anschließen, könnte eine durchaus geeignete Stelle zur Anlage einer frühen christlichen Kapelle oder Kirche gewesen sein, die häufig außerorts von Siedlungen entstanden. So die alte Peterskirche von Kröv, die weit außerhalb von Kröv in Richtung Kinheimer Höhe gestanden hat (heute nicht mehr vorhanden). Auch die alten Kirchen von Rachtig und Lösnich lagen auf einer Anhöhe außerhalb der heutigen Ortskerne.