Die Lösnicher St. Severus Reliquie

Neben der Reliquie des Schutzheiligen St. Vitus (Patrozinium) befindet sich seit 1811 noch eine weitere Reliquie im Besitz der Pfarrei Lösnich, eine Reliquie des Hl. Severus von Antrodoco. Wie sie ihren Weg nach Lösnich fand, dokumentierte erstmals 1928 Pfarrer Paul Koster in einem Beitrag einer Festschrift zum 25-jährigen Stiftungsfest des Lösnicher Männergesangvereins.

Pfarrkirche St. Vitus Lösnich 2014 (Foto Jürgen Schmid)

Nach Angaben Kosters hatte Erzbischof Ruotbert die Gebeine des Hl. Severus im 10. Jahrhundert aus Italien mitgebracht und sie in der Kirche zu Münstermaifeld beigesetzt. Von dort wurde das Haupt zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor möglichen feindlichen Übergriffen der französischen Revolutionstruppen (1794 – 1815) ins  rechtsrheinische Ehrenbreitstein in Sicherheit gebracht.

Turm der Stiftskirche Münstermaifel (Foto Jürgen Schmid)

1811 schenkte der damalige Pfarrer von Ehrenbreitstein, Joseph Hommer einen Teil dieses Hauptes, und zwar den rechten oberen Backenknochen, der die Nase mit den Schläfen verbindet, der Pfarrei Lösnich.

Das Reliquiar des St. Severus in Lösnich (Foto E. Schömann)

Am 24. April 1811 wurde die Reliquie Herrn Pfarrer Meyer im Beisein der Lösnicher Kirchenvorsteher Jakob Dambly und Johann Schweisthal im Pfarrhaus zu Zeltingen übergeben und nach Lösnich gebracht. Der Ort war vermutlich ausgewählt, da Lösnich in der Franzosenzeit (1794-1815) zur Maire (Bürgermeisterei) Zeltingen gehörte. Der Lösnicher Delegationsvertreter Johann Schweisthal war gleichzeitig Municipalrat, er vertrat die Gemeinde Lösnich in der 1798 in Bernkastel von den Franzosen eingesetzten Municipalverwaltung, Es stand ihm noch ein Adjunkt zur Seite, der 1798 mit Namen Schmidgen erwähnt wurde (Quelle Franz Schmitt, Bernkastel im Wandel der Zeiten, 1985, Seite 220).

Gravur auf dem Severus Reliquienschrein mit Hinweise auf den Vorbesitzer Münstermaifeld (Foto E. Schömann)

1825 erlaubte der Schenkgeber Josef von Hommer, der unterdessen Bischof von Trier geworden war, die öffentliche Verehrung der Reliquie in der Pfarrkirche zu Lösnich durch eine besondere Urkunde.

Gravur auf dem Severus Reliquienschrein mit erkennbarem Hinweis auf Bischof Hommer als Schenkgeber und Erlaubnis zur öffentlichen Verehrung 1825 (Foto E. Schömann)

1911 verschloss Pfarrer Simon die Reliquie nebst den zugehörigen Urkunden in einem schönen Metallschrein, in dem sie jetzt noch ruht. Die eine Schmalseite zeigt den Heiligen mit dem Spaten, weil er in seinen Mußestunden im Weinberg zu arbeiten pflegte, die andere mit der Verseh-Burse, weil er durch sein Gebet einen vorzeitig verstorbenen zum Leben erweckt haben soll, um ihn mit den hl. Sterbesakramenten zu versehen. Während der Festoktav des Heiligen (vom 13. bis 20. Februar) wurde die Reliquie zur besonderen Verehrung ausgesetzt.

Gravur auf dem Reliquienschrein von 1911 mit Hinweis auf Pfarrer Simon (Foto E. Schömann

Der Herkunftsort von Severus war das italienische Antrodoco, ein Gemeinde etwa 100 km nordöstlich von Rom, die auf die antike Siedlung Interocrium zurückgehen soll. Severus verstarb dort als Priester um 530. Seinen Lebensunterhalt bestritt er wohl als Weinbauer. Der Legende nach wurde er einmal zu einem Kranken gerufen, während er beim Schneiden der Reben war. Trotz sich sofort auf den Weg zu machen, zog er es vor, zuerst das Schneiden der Reben zu vollenden. Als er danach bei dem Kranken eintraf, war dieser bereits verstorben. Tief betrübt darüber schlug er sich an den Kopf und warf sich vor dem Todten auf den Boden. Da kam der Tote wieder zu Bewustsein und er lebte noch 8 Tage weiter. Nach seinem Tod wurde Severus in Orvieto bestattet. 952 brachte Erzbischof Ruotbert von Trier seine Gebeine nach Münstermaifeld, wo Severus zusammen mit St. Martin die Stiftskirche geweiht ist (Quelle Ökumenisches Heiligenlexikon, Internet).

Altarraum der Stiftkirche Münstermaifeld 2019 (Foto Jürgen Schmid)

Die Gründung des „Maifeldmünster“ geht zurück bis ins 6.-7. Jahrhundert. Mit der Überführung der Severus Reliquie nach Münstermaifeld soll es in der Stiftskirche im Mittelalter vermehrt zu Wallfahrtsaktivitäten gekommen sein.

Im historischen Interocrium, dem mutmaßlichen Herkunftsort von Hl. Severus wurde die heutige Kirche Santa Maria erst Severus geweiht, bevor sie 1052 das Patrozinium Marias erhielt. Ihre Entstehung geht bis ins 5. Jahrhundert zurück (Quelle Wikipedia Antrodoco).

Der Gedenktag des Hl. Severus ist der 15. Februar. Deshalb wurde der Lösnicher Schrein in der dazugehörigen Oktav (Woche) zur besonderen Verehrung in der Pfarrkirche aufgestellt.

Wie und weshalb es zur Übergabe der Reliquie von Ehrenbreitstein gerade nach Lösnich kam, ist offen. Waren sich der damalige Pfarrer Josef Hommer in Ehrenbreitstein und seines Zeichens spätere Bischof von Trier und Pastor Meyer aus Lösnich persönlich bekannt? Oder gab es Verbindungen der damaligen Grundherren von Lösnich, den  Reichsgrafen von Kesselstatt zu Joseph von Hommer und Ehrenbreitstein? Möglicherweise geben die dem Reliquiar beigefügten Urkunden weitere Hinweise zu dem Vorgang der Übergabe.