Beim Betreten der 1879 erbauten Lösnicher Pfarrkirche St. Vitus fällt der Blick unweigerlich auf das schöne Altarensemble des Hauptaltars mit seinen zwei Seitenaltären.
Der heute dort stehende Hochaltar ist jedoch nicht der ursprüngliche Altar, der beim Neubau der Kirche von 1879 errichtet wurde. Hier stand an gleicher Stelle ein neuer gotischer Hochaltar mit zwei ehemaligen Seitenaltären übernommen aus der alten Pfarrkiche auf dem heutigen Lösnicher Friedhof.
Bei genauem Hinsehen ist beim Vergleich der Aufnahmen festzustellen, dass der 1879 übernommene rechte Seitenaltar in großen Teilen der heutige Hauptalter der Kirche ist. Dieser Altar schaut auf eine sehr wechselvolle Geschichte zurück. In der alten Kirche, deren noch erhaltener Chorraum heute auf dem Lösnicher Kirchhof als Friedhofskapelle dient, war dieser Altar ebenfalls der rechte Seitenalter. Als sogenannter St. Johannes Altar war er zuletzt mit einer Messstiftung der Reichsgrafen von Kesselstatt versehen. Bei näheren Recherchen zu diesem Altar hat sich herausgestellt, dass sich die Geschichte dieses Altar bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, in die Zeit, in der er in der alten Lösnicher Burg installiert wurde. In betreffen Dokumenten zu diesem Altar aus dieser Zeit wurde zuweilen auch die Bezeichnung „Schloss Lösnich“ verwendet.
Der Lösnicher St. Johannes Altar
Zur finanziellen Ausstattung des St. Johannes Altars in der Lösnicher Burg belehnte Freiherr Georg Beyer von Boppard, Herr von Lösnich 1598 Frantzen Clas und Thomas Clas von Zeltingen mit einigen „Bauplätzen und Weingarten“ in Zeltingen. Die Lehnsnehmer verpflichteten sich, jährlich „drei Ohm Wein weniger sechs Sester“ an den Altaristen zu geben (Hinweis: 1 Fuder = 6 Ohm = 30 Sester; das Fuder betrug 850 bis 880 Liter).
Der Hauptaltar in St. Vitus Lösnich um 1950 mit verarbeiteten Elementen dieses alten St. Johannes Altares und dem Familienwappen der Grafen von Kesselstatt und Freiherrn von Metternich (Jahreszahl 1719 im Schlussbogen) aus der ehemaligen Kirche auf dem Friedhof.
Der Altar war zum Gedächntis von Johann Beyer und Conrad Beyer, Herren von Lösnich, „Voreltern von Georg Beyer von Boppard“ errichtet worden. 1598 nahm der noch junge Georg Bernhard am Türkenkrieg teil und verlor bei der Schlacht vor Ofen (Budapest) im Alter von nur 33 Jahren sein Leben durch eine türkische Kugel.
Das Lehnsgut bestand aus den „Sterzen Hewers“ Gütern in Zeltinger Gemarkung und gehörte zur Lösnicher Burg.
Der Priesterdienst wurde durch einen eigens dafür bestellten „Altaristen“ ausgeübt. An der Lösnicher Pfarrkirche versah den Priesterdienst ein Deutschordenspriester. Das Patronat der Pfarrkirche gehörte seit 1252 dem Deutschen Orden. Der Altarist für den St. Johannesaltar war ein Priester, der nur mit den zu diesem Altar zu verrichtenden Dienste betraut war zum Seelenheil des Stifters, hier zum Gedächtnis der ehemaligen Lösnicher Herren aus der Linie Beyer von Boppard. Der Altar selbst muss schon vor 1598 bestanden haben. Seine Errichtung geht wohl auf bis auf das Jahr 1509 zurück. Dies wird aus einem Vergleich vom 29. Juli 1582 ersichtlich, der zwischen Peter Drenckmann, dem Vater des Altaristen Franz Georg Drenckmann am St. Johannes Altar im Schloß Lösnich und Otters Josten Hans und Schreiner Theisen von Zeltingen stattfand. Er betraf die Erbverlehnung zu diesem Altar vom St. Brictius Tag 1509, die 1554 „aufgerichtet“ worden war mit dem „Officialen Bescheid“ des Otters Josten Hans und Schreiner Theis jährlich neben einem Ohm Wein abzüglich 6 sester und einem halben sester Öl an den „Altaristen“ zum Halten der wöchentlichen Messe (Quelle Kesselstattarchiv Trier, DK 4336).
Die Formulierungen zum Standort des Altars „in der Burg“ und „im Schloß Lösnich“ lassen den Schluss zu, dass der Altar 1509, 1554 und auch noch 1598 tatsächlich in der Burg selbst gestanden haben muss und dort wöchentlich eine Messe durch den Altaristen gelesen wurde für die herrschaftliche Familie.
Im Lagerbuch der Reichsgrafen von Kesselstatt beschreibt ein Eintrag zum Jahr 1636 die „Erneuerung der Phächten zu der Schoß Capell Lösnig gehörig“.
Die Burg selbst wurde 1652 zerstört. Neben der Ruine blieb der alte Weinkeller bis heute erhalten. Über diesem wurde durch die Grafen von Kesselstatt 1808 ein großes Kelterhaus errichtet. Es ist davon auszugehen, dass sich der Altar nach 1652 nicht mehr in der Burg befand und als Seitenaltar in die Pfarrkirche auf dem heutigen Friedhof übernommen wurde.
Dafür spricht ebenfalls, dass zwei Kirchenvisitationen von 1652 und 1685 davon berichteten, dass in Lösnich zwei Altäre existierten, die nicht geweiht (consecriert) waren. Es könnte sich um den St. Rochus und St. Johannes Altar gehandelt haben, die beiden Seitenältäre der alten Kirche vor 1880.
Nach derm Tod des Georg von Kesselstatt gelangte das Haus Chrichingen durch Heirat von Christoph von Chrichingen mit Anna Beyer von Boppard, einer Schwester von Georg 1621 an das Haus Chrichingen. Schon gleich nach Erlangung der Herrschaft sollen die Chrichinger mehrere Güter gestiftet haben zu Unterhaltung des Priesters für die allwöchentliche Messe m St. Johannes Altar in Lösnich. Davon berichtet auch die Abschrift eines Erblehenvertrages von Franz Ernst von Chrichingen von 1654. Hier übergibt er die Güter dieser Stiftung an seinen getreuen Amtmann Horst zu Lösnich zum erblichen Lehen mit der Bedingungn, für die Erfüllung der Stiftung durch den „Schloßkaplan“ in Lösnich zu sorgen und diesem jährlich 4 Ohm Wein (2/3 Fuder) „von Zeltinger Most“ zu liefern.
(Q. Pfr. Paul Koster, Festschrift Sängerfest 1928)
Die Freiherrn von Metternich, die 1673 in den Besitz der Herrschaft kamen, präsentierten am 12. August 1675 einen neuen Altaristen.
1702 präsentierte Casimir Friedrich Freiherr von Kesselstatt, der durch seine Ehe mit Anna Clara Freiin von Metternich im Jahre 1690 um 1700 in den Genuss der Herrschaft Lösnich gekommen war, den Altaristen Philipp Carl Conrad (Weltpriester) am St. Johannes Altar in Lösnich.
Der letzte vom Haus Kesselstatt präsentierte Altarist war 1804 Pastor Johann Junck aus Marienrachdorf bei Dierdorf (Neuwied), nachdem Herr Materne, Pastor von Rivenich am 12. Dezember des Jahres verstorben war.
1713 bitten die Lösnich die freiherrlichen Grafen von Kesselstatt als neue Herren von Lösnich um die Erhaltung der Altarstiftung. 1719 errichten die Grafen den Altar und versorgen die Stiftung bis 1897, als die Kesselstatt´sche Majoratsverwaltung die Zahlungen zur Stiftung schließlich einstellt. Damit hatte die Stiftung für diese „Donnerstagsmesse“ endgültig aufgehört, zu bestehen.
In der bis 1880 bestehenden alten Kirche auf dem Lösnicher Friedhof stand der St. Johannes Altar auf der rechten Seite, auch Epistel- oder „Männerseite“ genannt. Er trug das Ehewappen von Casimir Friedrich von Kesselstatt und seiner Gattin Anna Clara von Metternich mit der Jahreszahl 1719 (Todesjahr der Anna Clara Freiin von Metternich).
Der Altar wurde nach dem Neubau 1879/80 in die neue Kirche übernommen, ebenfalls als Altar auf der rechten Seite. Der ursprünglich gotische Hauptaltar wurde zwischen 1934 und 1945 in der Amtszeit von Pastor Brückert wieder ersetzt durch den barockähnlichen Altar von der „Männerseite“, also den alten St. Johannes Altar mit dem Ehewappen der Kesselstatt/Metternich. Der Altar ist danach noch mehrfach umgebaut worden. In seinen Ursprüngen ist er jedoch der alte St. Johannes Altar, der in seiner Entstehung bis ins Jahr 1509 im „Schloss Lösnich“ zurückreicht. Als Altar zum Gedächtnis der Ritter Beyer von Boppard 1509 gestiftet durch Georg Beyer von Boppard, einem Urenkel in 5. Generation von Ritter Heinrich Beyer von Boppard und Lisa von Lösnich wurde die Stiftung fortgeführt über die Grafen von Chrichingen, Freiherrn von Metternich und Reichsgrafen von Kesselstatt bis ins Jahr 1897.