Ehemalige Kapelle am Lösnicher Fährkopf

Auf der linken Moselseite gegenüber von Lösnich wurde 1968 nach Fertigstellung des Brückenbaus und der Neugestaltung der Bundesstraße 53 eine Gebäude abgerissen, das zu dieser Zeit noch als Unterstellmöglichkeit für Benutzer der alten Fähre diente. Schon der Grundriss des Gebäudes erinnerte auffällig an die sakrale Form einer Kapelle mit polygoner Apsis an der Nordseite.  Im Innern befand sich ein ehemaliges Wegekreuz mit Heiligenfiguren aus dem Jahre 1701. Dieses wurde laut Inschrift von dem Lösnicher Junggesellen Thomas Jacobs errichtet. Das charakteristische Wegekreuz aus Sandstein entspricht einem Kreuz, das üblicherweise im Flur aufgestellt wird. Dass es sich einmal im Innern der Kapelle befand, ist eher als ungewöhnlich einzustufen.

Die abgerissene Kapelle am Lösnicher Fährkopf (Foto Manfred Arns)
Grundriss der Kapelle am Faehrkopf Loesnich mit polygonaler Apsis (Skizze Jürgen Schmid)

Das Wegekreuz blieb erhalten und an seinen heutigen Standort unterhalb der Försterlay versetzt. 2001 wurde es restauriert und mittlerweile gestohlene Figuren wurden ersetzt.

Das noch erhaltene Wegekreuz von 1701 aus der abgerissenen Kapelle (Foto Jürgen Schmid)

Ein erster Quellennachweis zur Kapelle findet sich im Preußisches Urkataster 1829 Best. 737 Nr. 1615 BD. 1 LHAK Kobern-Gondorf. Die Parzelle mit der Kapelle ist der Gemeinde Lösnich zugeordnet. In der Grundrissdarstellung ist auch ein Kreuz abgebildet, dass wohl auf das Wegekreuz im Innern der Kapelle hinweist.

Weinlese an der ehemaligen Kapelle am Fährkopf vor 1940 (Foto Hermann Caspary)
Touristengruppe an der Kapelle am Faehrkopf
Touristengruppe mit Fahrrädern an der Kapelle am Lösnicher Fährkopf in den 1930er Jahren (Foto Manfred Arns)

Da das Gebäude bereits vor Inbetriebnahme der Fähre 1899 bestand (Flurkarte von 1829), ist ein Zusammenhang zur Fähre nicht gegeben.

Mögliche Ursprünge der Kapelle

Zum Errichtungszeitraum des Gebäudes schweigen die schriftlichen Quellen.  Durch seine örtliche Nähe zum alten Lösnicher Fährkopf wurde es im 20. Jh. gerne als Unterstellplatz bei der Moselüberfahrt genutzt. Inmitten des Lösnicher Weinlagen auf der linken Moselseite bot es in früheren Zeiten auch eine willkommene Unterstellmöglichkeit für Lösnicher Weinbergsarbeiter, wenn es zu Unwettern kam. Ein direkter Zusammenhang zum Fährgeschäft ist schon daher nicht herzuleiten, da die Kapelle schon lange vor  Inbetriebnahme der Fähre 1899 existierte. Erstmalig dokumentiert wurde das Gebäude im Preußischen Urkataster von 1829.

Blick auf die Kapelle am Lösnicher Fährkopf (Foto Manfred Orthmann)

Das sich noch im Innern des Gebäudes befindliche Wegekreuz mit Heiligenfiguren könnte die Vermutung nähren, das zum gleichen Zeitpunkt oder später das Gebäude zum Schutz des  Wegekreuzes erbaut wurde, oder das Kreuz später in die Kapelle versetzt wurde, um es vor der Verwitterung zu schützen.

Dagegen spricht, dass der Flurname „Am Heiligenhäuschen“ bereits 1675 erstmalig in Erscheinung tritt in einer Handzeichnung im Lagerbuch der Reichsgrafen von Kesselstatt mit Benennung der zur Lösnicher Herrschaft gehörigen Weinbergslagen auf der linken Moselseite.

Auffallend sind die Gemarkungsnamen in der nahen Umgebung des Gebäudes in der Karte von 1829. Oberhalb des Gebäudes befindet sich die Gemarkung  „Beim Heiligen Häuschen“ (s.o. Abb. Katasterkarte 1829). Links oberhalb dieser Gemarkung schließen sich „An der Ballay“ und „In der Ballay“ an. Rechts oberhalb über „Beim Heiligen Häuschen“ nennt sich die Gemarkung „Auf Petersberg“. Darüber liegt die Gemarkung Petersberg, die bereits zur Gemeinde Kinheim gehört. Links daneben die in Lösnich liegende Gemarkung mit der interessanten Bezeichnung  „Orientsmunt“ (1536 Orgemund) .

Flur- und Gemarkungsnamen haben eine sehr alte Tradition und wurden mündlich weitergeben. Nach den ersten schriftlichen Zeugnissen variierten sie zusehends in ihrer Schreibweise. In den amtlichen Katasteraufzeichnungen der Preußen wurden sie 1829 erstmals schriftlich festgehalten.
Aber auch seit 1829 ändern sich immer wieder die historische Bezeichnungen.  So veränderte sich in Lösnich beispielsweise die Bezeichnung „Tongraben“ zu  „Tanngraben“, was zu einer völlig veränderten Bedeutungslage führt.

Deutungsversuch zu den vorliegenden Flurnamen

Ballei

1675 in der Karte der Reichsgrafen von Kesselstatt als Baley vermerkt, im Weistum von 1536 Belle leye genannt, 1331  in einer Güterangelegenheit in den Urkunden Kurfürst Balduins als Weinberg mit dem Namen „bellawen“ aufgeführt ergeben sich unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten.  Die Annahme, dass der Flur einen Bezug zum Deutschen Ritterorden haben könnte, da dieser eventuell mal Besitzer des Weinbergs war ist naheliegend. Als Balley bezeichnete man Verwaltungseinheiten des Ordens. Die zeitlich früheren Bezeichnungen wie Belle leye oder bellawen erlauben jedoch auch völlig davon abweichende Deutungen. Bei „Belle leye“ könnte belle auf das lateinischen Wort „bellum“ für  Krieg zurückgeführt werden. Leye könnte als Ley-Variante eine Ableitung der Leh-Variante darstellen, einem ursprünglich sakralen germanischen Namen für Gräber.“Hleo“: Als hlair wird das Grab in Wulfilas Bibelübersetzung (Radke) bezeichnet. Im althochdeutschen könnte sich hlair zu hleo und später zu Leh, Lee, Le gewandelt haben und im Rheinland zu Lei, Ley, Lai und Lay. Zuweilen tritt Ley auch auf in Zusammenhang mit dem Begriff „Grablege“ in Form von „Grabeley“. Hierbei scheint ley aus legen oder liegen hergeleitet zu sein. Landläufig wird Ley üblicherweise aber gedeutet als Schieferfelsen (Vgl. Beruf Leyendecker = Schieferdecker).  Handelt es sich hier um einen alten Flurbereich, in dem antike Kriegsgräber zu vermuten sind. In direkter Nachbarschaft Richtung Erden trägt der Flur den Namen „Heerberg“. Gibt es hier womöglich einen historischen Zusammenhang?
In der Flurbezeichnung „Bellawen“ von 1331 sind die lateinischen Worte Bell(um) und Ave zusammengeführt. Bellum steht für Krieg und Ave entspricht einer Grußform, wie z.B. bei „Ave Cäsar!“, was so viel heißt wie „Heil Dir Cäsar“. Aber auch „Ave Maria – Gegrüßet seist du Maria“, geben ein Beispiel für diese Grußform. Üblicher Weise lautete der römische Gruß „Salve“, was für „Sei gesund“ oder „Bleib gesund“ steht.

Direkt übersetzt würde „Bell-Ave“ (bellawen) in die Begrifflichkeit „Heil dem Krieg“ führen. Eine Örtlichkeit, die so bezeichnet wird, könnte auf einen Ort deuten, an dem der glückliche Ausgang einer kriegerischen Auseinandersetzung in Erinnerung gehalten werden soll.

Eine andere zulässige Deutung ist die mögliche Namensherkunft des Begriffs Ballay selbst. Aus dem Lateinischen kommend wurde Ballei auch unter der Bedeutung  „ Königlicher oder lehnsfürstlicher Beamter“ verwendet.
Lösnich als ehemals freie Reichsherrschaft ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein ehemaliges Königsgut, wie das direkt benachbarte Kröver Reich, zu dem auch Kinheim und Erden gehörten. Diese  Königsgüter gelangten als besondere römische Siedlungseinheiten im 6./7. Jh. direkt an die fränkischen Könige.

Erste schriftliche Quellen zur Gemarkungsbezeichnung

1536 Belle Leye (Weistum 1536, Archiv der Reichsgrafen von Kesselstatt, Stadtbibliothek Trier)

1675 Baley (Handskizze, Archiv der Reichsgrafen von Kesselstatt, Stadtbibliothek Trier, DK 5196)

Petersberg

Einen weiteren wichtigen Hinweis in diesem Zusammenhang könnte die Gemarkung „ Auf Petersberg“ geben. Auch in Kröv findet sich eine Gemarkung mit der Bezeichnung Petersberg.

Diese steht in direktem Zusammenhang einer ehemaligen Pfarrkirche in den Weinbergen von Kröv am Ortsausausgang Richtung Kinderbeuern. Hier stand einmal eine kleine Kirche mit dem Patrozinium St. Peter. Mit dem dazugehörige Friedhof in unmittelbarer Nähe könnte sie die Urpfarre des Kröver Reichs gewesen sein, die seit dem 9. Jh. belegt ist. Sie war Eigenkirche des Klosters Stablo in Belgien. Im Ortskern Kröv erinnert im Ortskern der noch heute vorhandene Staffelter Hof an die Besitzungen des Klosters in Kröv. Diese Kirche in den Weinbergen wurde nach 1795 nicht mehr für Gottesdienste genutzt und  1801 abgerissen.

Gleichzeitig besaß Kröv eine zweite Pfarrkirche im Ort, St. Remigius, deren Existenz  ebenfalls bis ins 9. Jahrhundert zurückreicht. Sie gehörte zur Abtei Echternach und  stand ursprünglich an der Stelle der heutigen Kesselstatt Kapelle am Ortsausgang Richtung Traben-Trarbach. Ende des 16. Jahrhunderts erfuhr sie einen Neubau am jetzigen Standort im Ort.

Weitere Kirchen im Kröver Reich, wie eine in Traben (11. Jh) und Enkirch (9. Jh.) führten den Hl. Petrus ebenfalls als Kirchenpatron. Es ist damit anzunehmen, dass dieses Patronat im Kröver Reich eine gewisse Rolle spielte. Diese St. Peter Kirchen zählen zu den sehr frühen Kirchen im im Kröver Reich und im Moselraum.

Kann damit auch angenommen werden, dass im Lösnicher Gemarkungsbereich „Am Petersberg“ und „In der Ballei“ verbunden mit der Gemarkung „Beim Heiligenhäuschen“ eine sehr alte christliche Kapelle oder Kirche existiert hat? 1934 erwähnt Paul Clemen in „Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz“, dass in Kinheimer Gemarkung römische Reste gefunden wurden und in der Kirchley und auf Petersberg alte Gräber sein sollen.
Steht dieses kapellenartige Gebäude gegenüber von Lösnicher auf Kinheimer Seite in einem frühen Zusammenhang mit diesen pfarrgeschichtlichen Situation im Kröver Reich? Belege dazu fehlen, schrifliche Zeugnisse zu einer frühen alten Kirche gegenüber von Lösnich, die sich in die St. Peterkirchen im Kröver Reich einreihen ließe, sind leider nicht vorhanden.

Erste schriftliche Quellen zur Gemarkungsbezeichnung

1536 Am Petersberg (Weistum 1536, Archiv der Reichsgrafen von Kesselstatt, Stadtbibliothek Trier)

Am Heiligen Häuschen

Diese Gemarkung oberhalb der Kapelle nimmt von ihrer Bezeichnung her direkt Bezug auf ein sakrales Gebäude, das in ihrem Umfeld einmal existiert haben könnte und dieser Gemarkung ihren Namen gab.

Erste schriftliche Quellen zur Gemarkungsbezeichnung:

1675 Am Heiligen Häuschen (Handskizze, Archiv der Reichsgrafen von Kesselstatt, Stadtbibliothek Trier, DK 5196)
1829, Am Heiligen Häuschen (Preußisches Kataster 1829 Best. 737 Nr. 1615 BD. 1 LHAK Kobern-Gondorf)