Das Lösnicher Schöffenfest

Das Lösnicher Schöffenfest

Seit langer Zeit gehört zur Lösnicher Tradition das Feiern des sogenannten „Schöffenfestes“. Ein Fest der unverheirateten Dorfjugend, das in dieser Form nur noch in der Nachbargemeinde Kinheim zu finden ist. Darüber hinaus ist nicht bekannt, dass sich diese Tradition auch andernorts entwickelt und gehalten hat.

Das Fest findet statt, wenn bei den Kommunalwahlen neue Ratsmitglieder oder ein neuer Ortsbürgermeister gewählt wurden. Es beginnt damit, dass die Jugend des Dorfes den Neugewählten je eine große Fichte aus dem Gemeindewald  etwa im Stil eines Maibaums vor deren Wohnhaus aufstellt. Die anschließende wohlverdiente „Beköstigung“ der Baumaufsteller durch das neugewählte Ratsmitglied gehört dabei zum „Ritual“ dieser Veranstaltung. Damit der aufgestellte Baum auch nicht seine „Standfestigkeit“ verliert, wird bei „Bedarf“ – und dieser besteht fast immer – die „Verkeilung“ des Stammes regelmäßig überprüft unter dem „Ritual“ des sogenannten „Nachklopfens“. Auch hier darf ein guter „Tropfen“ für die dürstenden Kehlen nicht fehlen.

Festprogramm Loesnicher Schoeffenfest 1979
Festprogramm Lösnicher Schöffenfest 1979 (Foto Jürgen Schmid)

Sind alle Bäume für die neuen Ratsmitglieder aufgestellt, kann die eigentliche Festveranstaltung beginnen, die traditionsgemäß auch finanziell durch die Gemeinderatsmitglieder mit unterstützt wird. Die  unverheirateten jungen Männer des Dorfes kommen nun zusammen und durch Losentscheid werden die Paare für die abendliche Festveranstaltung bestimmt. Die Namen der bei diesem Verfahren nicht anwesenden weiblichen Teilnehmer werden auf Zettel geschrieben und von den männlichen Teilnehmern „gezogen“. Ist die Anzahl der weiblichen Teilnehmer geringer, als die der männlichen, werden zum Ausgleich festlich geschmückte „Birkenbesen“ ins Losverfahren mit eingebunden. Der erste Tanz bei der abendlichen Veranstaltung gehört bei den betroffenen Kandidaten traditionsgemäß ihren gelosten Besen, ein besonderer Spaß für alle Anwesenden.

Nachdem das Los entschieden hat, schwärmen die jungen Männer gemeinsam aus ins Dorf. Mit großer Spannung warten die weiblichen Teilnehmer zuhause auf Ihr „Losglück“, das nun zum „Nachmittagskaffee“ seine Aufwartung macht. Dieser Überraschungsmoment ist ein großer Spaß für alle Beteiligten und auch für die ganze Nachbarschaft, die sich dieses Spektakel natürlich nicht entgehen lässt.

Danach geht es begleitet vom örtlichen Musikverein gemeinsam per Umzug ins Dorf zur Abholung der „Schöffen“ und des Bürgermeisters.

Den Höhepunkt des Festes bildet die abendliche Tanzveranstaltung, zu der das ganze Dorf eingeladen ist. Die Gestaltung des Abends durch die Dorfjugend in Form von Vorträgen und musikalischen Beiträgen wird von allen Festbesuchern dankend aufgenommen. So kann sich das Schöffenfest des Jahres 1979 auf die Fahne schreiben, dass es auf seine Weise zur Geburtsstunde des Lösnicher Saalkarnevals wurde. Animiert durch die Beiträge dieses Abends wurde im Folgejahr die erste Kappensitzung in Lösnich auf die Beine gestellt, die 1993 schließlich in die Gründung des Lösnicher Karnevalvereins  „Schnäälespesser e.V.“ mündete.

Heid os Festsche …

Vorgetragen im Lösnicher Dialekt  zu einer bekannten Melodie gibt der von den „Moseler Sisters“ Anne, Christa und Herta selbst gedichtete musikalische Beitrag einen gelungenen Einblick in die allgemeine „Gefühlslage“ der beteiligten „Mädchen und Jungen“ anlässlich des Schöffenfestes 1979:

  1. Heid os Festche, mir sein do.
    Schäfefestche, kaukt doch e mol loh.
    All die Junge aus osem Dorf denken heid:
    „Hoffentlich grema käne Korf“

  2. Die Lesnijer Mädcha sein och dobei
    und hoffen, dat die Kerle heit sein all frei.
    Die schienst Klädcha gen ogedoh,
    wenn die Richtie kumme, da sein se froh.

  3. Och die mot dem Bäsem, dat os net schlemm,
    die kinnen danze, mot wemm se welle.
    Mir kinnen trinke, sovill ma verdroh,
    un käne sät nochher, „kauk doch e mol loh“.

  4. Un noh dem Festche, do gien ma häm.
    und fier der Hausdier son ma ganz verträmt:
    „off e Tässie Kaffie gäste doch noch mot,
    sei doch net su ängstlich, ich hon noch nie beschott“.

  5. Un beim Kaffie geftet os ganz warm
    und die Junge hollen os dann in de Arm
    und se son ganz en osem Sinn:
    „Schäfefestche, wat bos dou schien“.

Bezeichnend, dass bei einem Zusammentreffen mit Anne und Christa Moseler am Lösnicher Pfarrfest 2013  es den beiden in geselliger Runde keine Schwierigkeiten bereitete, dieses Lied gewohnt zweistimmig aus dem Gedächtnis heraus nach nun über 30  Jahren zur Freude der „Umstehenden“ noch mühelos vorzutragen.

Ursprungssuche

Obwohl bisher nichts weiter über den tatsächlichen Urprung dieses Festes unter den Dorfbewohnern bekannt ist, bietet sich ein möglicher Ansatz für eine Erklärung dieser Tradition an:

Bis zur Ablösung des „Feudal- und Lehnswesens“ der Herrschaft Lösnich durch die Franzosen im Jahre 1794 gab es in Lösnich ein Hochgericht, einen Schultheißen und sechs Gerichtsschöffen. Der Schultheiß war zuständig für die Erbringung der Abgaben an den Grundherrn und Vorsitzender des Hochgerichts als nichturteilender Richter. Die Schöffen waren Lösnicher Bürger und stimmberechtigte Mitglieder des Hochgerichts, das zuständig war für die Rechtsfragen der Lösnicher. Schultheiße und Schöffen waren in der Regel auf Lebenszeit im Amt, insbesondere bei den Schöffen galt das Prinzip der Selbstergänzung innerhalb des Kollegiums, das aus angesehenen Männern des Dorfes bestand. Wahlen im heutigen Sinne waren dabei nicht vorgesehen. Erst unter den Preußen nach 1814 entwickelte sich später das Kommunalwahlrecht für den örtlichen Gemeinderat.

Vielleicht ist hier tatsächlich der Ursprung dieses Festes zu suchen. Name und Anlass des Festes bilden ein starkes Indiz dafür. Da der Mitgliederwechsel innerhalb des Schöffenkollegiums damals sicher nicht so häufig vorkam und sicher auch als Privileg für den Neuzugang galt, ist es vorstellbar, dass dies mit einer größeren Feier für den- oder die Betroffenen verbunden sein konnte.